Montag, 26. Oktober 2015

Dax-Konzerne haben keine Lust auf Quote

Bild: FotoliaNach den Aufsichtsräten sind jetzt die Vorstände und obersten Führungsjobs dran: Die Regierung will auch hier per Gesetz mehr Frauen in Top-Positionen bringen. Doch die 30 größten börsennotierten Konzerne unterlaufen das Ziel der Politik. Eine Umfrage der WirtschaftsWoche ergab, dass ein Großteil den Anteil an Chefinnen in den oberen drei Führungsebenen nur halten will. Einzelne fallen sogar zurück – was das Gesetz von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) ausdrücklich verhindern soll.
Große Unternehmen müssen ihren Frauenanteil in Toppositionen seit Neuem offenlegen. Ein Gesetz von Schwarz-Rot verlangt auch Ziele zur Erhöhung der Quote. Doch viele Dax-Konzerne unterlaufen die Vorgaben.
Das Quotengesetz der schwarz-roten Bundesregierung legt seit kurzem fest, dass nicht nur Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzt werden müssen. Sonst dürfen frei werdende Plätze im Kontrollgremium nicht neu vergeben werden.
Große Unternehmen sind zudem verpflichtet, den Frauenanteil in Vorständen sowie den beiden Führungsebenen darunter zum Stichtag 30. September 2015 auszuweisen. Sie sollen auch erklären, um wieviel sie den Anteil bis in spätestens zwei Jahren, bis Mitte 2017, erhöhen wollen. Sobald Frauen wie Männer mindestens zu 30 Prozent vertreten sind, will sich die Politik nicht weiter einmischen. Sanktionen sind nicht vorgesehen.
Was von Schwesig als öffentliches Druckmittel gedacht war, beeindruckt Konzerne wenig. Die Mehrheit verbittet sich eine Einmischung und weist das „Ziel 0“ aus – das ist erreicht, wenn die Quote an Frauen in den herausgehobenen Jobs zumindest bleibt wie sie ist. Der Industriegase-Konzern Linde will seine Ziele, die er zum 30. September formulieren musste, sogar erst im kommenden Frühjahr im Geschäftsbericht nennen.
Einige Vorstandsvertreter betonen, wie wichtig es sei, Chefpositionen mit Frauen zu besetzen, auch wenn sie selbst offensichtlich nicht immer danach handeln.  Beim Chemiekonzern BASF zeigt sich Vorstandschef Kurt Bock einsichtig – auch wenn sein Konzern gar keinen höheren Frauenanteil als Ziel ausgibt. Um die Kunden in aller Welt besser zu verstehen, müsse BASF für Talente überall attraktiv sein: „Unsere weltweiten Ziele sind Ansporn für uns, bei der Förderung von Vielfalt noch besser zu werden.“
Einzelne Unternehmen könnten sogar zurückfallen. Das gilt für die Deutsche Post, die teils dem Staat gehört. Im sechsköpfigen Vorstand sitzt mit Melanie Kreis eine Frau. Doch der oberste Führungskreis soll auf sieben Mitglieder erweitert werden, voraussichtlich um einen Mann.
Die Bonner sehen sich außerdem nicht in der Lage, den aktuellen Chefinnenanteil in Deutschland in den beiden Führungsebenen darunter mitzuteilen. Dazu schweigen auch – anders als vom Gesetz verlangt – der Konsumgüterhersteller Henkel und der Softwarekonzern SAP. Henkel fördert allerdings seit Jahren ausdrücklich Frauen als Führungsnachwuchs.
Frauen im Vorstand – Fehlanzeige
Ambitionslos gibt sich die mit Steuermilliarden vor der Pleite bewahrte Commerzbank: Der Finanzkonzern zeigt wenig Verständnis für die staatlichen Vorgaben. Frauen im Vorstand – Fehlanzeige. Und in der ersten und zweiten Führungsebene darunter könnte deren Anteil sogar sinken. Als Ziel fürs Jahr 2017 nennen die Frankfurter nur den Frauenanteil, den sie schon 2014 vorweisen konnten. – 8,6 Prozent und 14,6 Prozent. Das wäre ein deutliches Minus: Heute arbeiten bereits 15,8 Prozent in der ersten und 15,5 Prozent in der zweiten Führungsebene.
Unter den Quoten-Boykotteuren kritisiert aber allein Bayer-Personalvorstand Michael König die gesetzlichen Vorgaben öffentlich: „Die gesetzliche Verpflichtung, zusätzliche Ziele für die Entwicklung des Frauenanteils in bestimmten hohen Führungsebenen zu formulieren, erscheint uns vor dem Hintergrund unserer erfolgreichen freiwilligen Anstrengungen entbehrlich.“
Der Vorstandschef der Versicherung Allianz, Oliver Bäte, strebt zwar teils auch nur an, den Status Quo zu halten. Er ist sich aber der Probleme bewusst, wenn fast alle Chefs Männer sind: „Als Unternehmen können wir langfristig nur erfolgreich sein, wenn wir Frauen gleichberechtigt fördern und leistungsbezogen in Führungspositionen einsetzen.“
Auch Siemens-Personalvorständin Janina Kugel hat das verinnerlicht: “Frauen in Top-Positionen sollten Normalität sein, nicht die Ausnahme.” Der Technologiekonzern Siemens schneidet in den oberen drei Führungsebenen relativ gut ab.
Eine höhere Quote als Ziel auf allen drei Topebenen verordnet haben sich der Sportartikelhersteller Adidas, der Kosmetikkonzern Beiersdorf, die Deutsche Bank, und Energieversorger RWE. Beiersdorf-Personalvorstand Zhengrong Liu verteidigt die staatlichen Vorgaben sogar: „Das neue Gesetz in Deutschland ist ein zusätzlicher Ansporn für Beiersdorf, den bereits eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“
von Cordula Tutt

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