Union und SPD
wollen der Privatwirtschaft ab 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent für
Aufsichtsräte vorschreiben. Doch ausgerechnet die Unternehmen des Bundes hinken
bei der Gleichstellung hinterher.
Über Wochen musste die Untersuchung fix und fertig in den Schubladen liegen
und warten. Eigentlich sollten die Zahlen bereits im Mai präsentiert werden,
jetzt ist es Juli geworden, die Wähler sind inzwischen im Fußball-WM-Fieber.
Als Grund für die Verzögerung werden offiziell Terminprobleme von
Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) angegeben. Aber vielleicht hat die
Verspätung auch etwas damit zu tun, dass die Ergebnisse, die Schwesig an diesem
Mittwoch in Berlin präsentiert, nicht gerade schmeichelhaft sind.
Es geht um die
Glaubwürdigkeit der schwarz-roten Koalition in der Frauenförderung. Seit Jahren
drängt vor allem die SPD mit zunehmender Unterstützung aus der Union
börsennotierte Großkonzerne dazu, den Frauenanteil in Führungspositionen deutlich zu erhöhen. Mittlerweile liegt auch ein
Gesetzentwurf der SPD-geführten Ressorts für Frauen und für Justiz vor, der ab
dem Jahr 2016 für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eine Quote von 30
Prozent festschreibt.
Doch wie sieht es
eigentlich mit der Frauenförderung in den öffentlichen Unternehmen aus – dort
wo Bund, Länder und Kommunen über die Besetzung von Spitzenpositionen
entscheiden können? Sozusagen als Vorbildbetriebe für die Privatwirtschaft.
Eine neue Studie der Universität Leipzig gibt darüber Auskunft.
Wenig vorbildliche Ergebnisse
Die Resultate sind wenig
vorbildlich: Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 225 untersuchten
öffentlichen Unternehmen liegt demnach bei 25,1 Prozent. Damit sind die
Unternehmen von Bund, Ländern und Kommunen zwar schon weiter mit
der Frauenförderung als die Konzerne, die im Börsenindex Dax, im MDax, SDax und
TecDax gelistet sind. In den Aufsichtsräten dieser Unternehmen wird nach
aktuellen Zahlen der Organisation FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) nämlich
nur ein Frauenanteil von 18,9 Prozent verbucht.
Doch der Vorsprung der
öffentlichen Unternehmen vor den Betrieben der Privatwirtschaft müsste
eigentlich größer ausfallen. Denn schon seit 1994 gibt es das so genannte
Bundesgremienbesetzungsgesetz. Es verpflichtet den Bund, bei der Besetzung von
Vorständen, Beiräten, Kommissionen, Ausschüssen und Aufsichtsräten, bei denen
er einzelne oder alle Posten besetzt, das Prinzip der Doppelbenennung
anzuwenden: Für jeden Sitz muss demnach eine Frau und ein Mann vorgeschlagen
werden, sofern persönliche und fachliche Eignung gegeben ist. Die Entscheidung
muss dann mit dem Ziel einer "gleichberechtigten Teilhabe" fallen.
Eingeführt wurde das
Gesetz unter einer Frauenministerin namens Angela Merkel. Nur umgesetzt wird es
in der Praxis kaum. Beispiel Deutsche Bahn AG: Sie ist bis heute zu 100 Prozent
in Bundesbesitz. Ihr Aufsichtsrat hat 20 Mitglieder, darunter eine einzige
Frau. Bei der Vorstellung der
Studie wurde die Deutsche Bahn AG denn auch als Negativbeispiel für Gleichstellung
erwähnt. Der Bundesregierung müsse dort, wo sie Einfluss habe, auf eine
ausgewogene Besetzung der Gremien achten, forderte Schwesig.
"Gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen darf nicht in den
Führungsetagen enden", sagte Schwesig. Deshalb müsse man die Gesetze zur
Gleichstellung "anschärfen". Sie betonte: "Wir haben im
öffentlichen Raum noch Luft nach oben." Sie selbst habe sich unter den
Kabinettskollegen schon den Ruf einer "Stalkerin" erarbeitet, weil sie
bei der Besetzung von Bundesgremien immer auf einen höheren Frauenanteil
dringe. Schwesig nutzte die Gelegenheit für einen Seitenhieb auf die
Vorgängerregierung. Unter ihr habe sich beim Thema nichts getan.
Frauenfreie Führung in jedem achten
Unternehmen
Von einer
"Dürreperiode" in der vergangenen Legislatur sprach auch Monika
Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR, die die aktuelle Untersuchung zusammen
mit dem Bundesfrauenministerium auf den Weg gebracht hatte. Die Studie zeige,
dass auch bei den öffentlichen Unternehmen "hoher Handlungsbedarf"
bestehe. In den übrigen Spitzenpositionen neben den Aufsichtsräten fällt der
Frauenanteil sogar noch geringer aus: Hier liegt die Quote demnach bei nur 14
Prozent.
Insgesamt kommt die
Untersuchung zu einem Frauenanteil von durchschnittlich 19,6 Prozent in allen
Aufsichts- und Topmanagementgremien der öffentlichen Unternehmen. Etwa jedes
achte Unternehmen weist sogar gänzlich frauenfreie Führungsetagen auf.Besonders peinlich für
die schwarz-rote Koalition, die der Wirtschaft eine feste Quote verordnet:
Unternehmen mit Bundesbeteiligung sind mit dem Frauenanteil in
Spitzenfunktionen besonders im Rückstand. Bei den untersuchten 65
Bundesbeteiligungen ist nur jede fünfte Position in den Aufsichtsgremien mit
einer Frau besetzt – das entspricht einer Quote von rund 20 Prozent. Der Anteil
der vollkommen frauenfreien Managementetagen liegt darüber – mit einem Anteil
von 21,5 Prozent.
Die feste Quote könnte 2016 kommen
Der vorliegende
Referentenentwurf aus dem Justiz- und dem Frauenressort zielt darauf ab, ab
2016 bei den anstehenden Neuwahlen der Aufsichtsräte börsennotierter und
mitbestimmter Unternehmen eine Quote von 30 Prozent vorzuschreiben. Bereits
laufende Aufsichtsratsmandate sind davon zunächst nicht betroffen. Wird die Quote nicht
erfüllt, bleiben die Plätze unbesetzt ("leerer Stuhl"). Außerdem ist
eine Berichtspflicht der Unternehmen vorgesehen, ob sie die Quote erreichen
konnten oder, falls nicht, welche Gründe das verhindert haben.
Der Entwurf hat auch die
Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung, in
Bundesunternehmen und Gerichten zum Ziel. Damit soll in Anlehnung an die
Privatwirtschaft "ein weitgehend synchrones Vorgehen bei der Erhöhung des
Frauenanteils in Führungspositionen erreicht werden. Gelten soll dies für alle
Unternehmen des Bundes, an denen dieser Anteile von mehr als 50 Prozent hält.
Claudia Kade und Miriam Hollstein
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