Donnerstag, 3. Juli 2014

Öffentliche Betriebe verschleppen Frauenförderung

Union und SPD wollen der Privatwirtschaft ab 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte vorschreiben. Doch ausgerechnet die Unternehmen des Bundes hinken bei der Gleichstellung hinterher.


Über Wochen musste die Untersuchung fix und fertig in den Schubladen liegen und warten. Eigentlich sollten die Zahlen bereits im Mai präsentiert werden, jetzt ist es Juli geworden, die Wähler sind inzwischen im Fußball-WM-Fieber. Als Grund für die Verzögerung werden offiziell Terminprobleme von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) angegeben. Aber vielleicht hat die Verspätung auch etwas damit zu tun, dass die Ergebnisse, die Schwesig an diesem Mittwoch in Berlin präsentiert, nicht gerade schmeichelhaft sind.

Es geht um die Glaubwürdigkeit der schwarz-roten Koalition in der Frauenförderung. Seit Jahren drängt vor allem die SPD mit zunehmender Unterstützung aus der Union börsennotierte Großkonzerne dazu, den Frauenanteil in Führungspositionen deutlich zu erhöhen. Mittlerweile liegt auch ein Gesetzentwurf der SPD-geführten Ressorts für Frauen und für Justiz vor, der ab dem Jahr 2016 für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eine Quote von 30 Prozent festschreibt.

Doch wie sieht es eigentlich mit der Frauenförderung in den öffentlichen Unternehmen aus – dort wo Bund, Länder und Kommunen über die Besetzung von Spitzenpositionen entscheiden können? Sozusagen als Vorbildbetriebe für die Privatwirtschaft. Eine neue Studie der Universität Leipzig gibt darüber Auskunft.

Wenig vorbildliche Ergebnisse
Die Resultate sind wenig vorbildlich: Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 225 untersuchten öffentlichen Unternehmen liegt demnach bei 25,1 Prozent. Damit sind die Unternehmen von Bund, Ländern und Kommunen zwar schon weiter mit der Frauenförderung als die Konzerne, die im Börsenindex Dax, im MDax, SDax und TecDax gelistet sind. In den Aufsichtsräten dieser Unternehmen wird nach aktuellen Zahlen der Organisation FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) nämlich nur ein Frauenanteil von 18,9 Prozent verbucht.

Doch der Vorsprung der öffentlichen Unternehmen vor den Betrieben der Privatwirtschaft müsste eigentlich größer ausfallen. Denn schon seit 1994 gibt es das so genannte Bundesgremienbesetzungsgesetz. Es verpflichtet den Bund, bei der Besetzung von Vorständen, Beiräten, Kommissionen, Ausschüssen und Aufsichtsräten, bei denen er einzelne oder alle Posten besetzt, das Prinzip der Doppelbenennung anzuwenden: Für jeden Sitz muss demnach eine Frau und ein Mann vorgeschlagen werden, sofern persönliche und fachliche Eignung gegeben ist. Die Entscheidung muss dann mit dem Ziel einer "gleichberechtigten Teilhabe" fallen.

Eingeführt wurde das Gesetz unter einer Frauenministerin namens Angela Merkel. Nur umgesetzt wird es in der Praxis kaum. Beispiel Deutsche Bahn AG: Sie ist bis heute zu 100 Prozent in Bundesbesitz. Ihr Aufsichtsrat hat 20 Mitglieder, darunter eine einzige Frau. Bei der Vorstellung der Studie wurde die Deutsche Bahn AG denn auch als Negativbeispiel für Gleichstellung erwähnt. Der Bundesregierung müsse dort, wo sie Einfluss habe, auf eine ausgewogene Besetzung der Gremien achten, forderte Schwesig. "Gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen darf nicht in den Führungsetagen enden", sagte Schwesig. Deshalb müsse man die Gesetze zur Gleichstellung "anschärfen". Sie betonte: "Wir haben im öffentlichen Raum noch Luft nach oben." Sie selbst habe sich unter den Kabinettskollegen schon den Ruf einer "Stalkerin" erarbeitet, weil sie bei der Besetzung von Bundesgremien immer auf einen höheren Frauenanteil dringe. Schwesig nutzte die Gelegenheit für einen Seitenhieb auf die Vorgängerregierung. Unter ihr habe sich beim Thema nichts getan.

Frauenfreie Führung in jedem achten Unternehmen
Von einer "Dürreperiode" in der vergangenen Legislatur sprach auch Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR, die die aktuelle Untersuchung zusammen mit dem Bundesfrauenministerium auf den Weg gebracht hatte. Die Studie zeige, dass auch bei den öffentlichen Unternehmen "hoher Handlungsbedarf" bestehe. In den übrigen Spitzenpositionen neben den Aufsichtsräten fällt der Frauenanteil sogar noch geringer aus: Hier liegt die Quote demnach bei nur 14 Prozent.

Insgesamt kommt die Untersuchung zu einem Frauenanteil von durchschnittlich 19,6 Prozent in allen Aufsichts- und Topmanagementgremien der öffentlichen Unternehmen. Etwa jedes achte Unternehmen weist sogar gänzlich frauenfreie Führungsetagen auf.Besonders peinlich für die schwarz-rote Koalition, die der Wirtschaft eine feste Quote verordnet: Unternehmen mit Bundesbeteiligung sind mit dem Frauenanteil in Spitzenfunktionen besonders im Rückstand. Bei den untersuchten 65 Bundesbeteiligungen ist nur jede fünfte Position in den Aufsichtsgremien mit einer Frau besetzt – das entspricht einer Quote von rund 20 Prozent. Der Anteil der vollkommen frauenfreien Managementetagen liegt darüber – mit einem Anteil von 21,5 Prozent.

Die feste Quote könnte 2016 kommen
Der vorliegende Referentenentwurf aus dem Justiz- und dem Frauenressort zielt darauf ab, ab 2016 bei den anstehenden Neuwahlen der Aufsichtsräte börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen eine Quote von 30 Prozent vorzuschreiben. Bereits laufende Aufsichtsratsmandate sind davon zunächst nicht betroffen. Wird die Quote nicht erfüllt, bleiben die Plätze unbesetzt ("leerer Stuhl"). Außerdem ist eine Berichtspflicht der Unternehmen vorgesehen, ob sie die Quote erreichen konnten oder, falls nicht, welche Gründe das verhindert haben.

Der Entwurf hat auch die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung, in Bundesunternehmen und Gerichten zum Ziel. Damit soll in Anlehnung an die Privatwirtschaft "ein weitgehend synchrones Vorgehen bei der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen erreicht werden. Gelten soll dies für alle Unternehmen des Bundes, an denen dieser Anteile von mehr als 50 Prozent hält.



Claudia Kade und Miriam Hollstein

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