Ein Gastbeitrag von
Angela Hornberg
Die Quote macht alle
nervös. Die Männer, sagen einige Frauen, weil die Kerle um Besitzstände
fürchten, die sie zu Unrecht horten. Die Frauen, sagen einige Männer, weil die
Weiber auf eine Karriere hoffen, zu der sie nicht das Zeug haben. Von 2016 an
müssen laut den Plänen der großen Koalition ein Drittel der Aufsichtsräte
weiblich sein.
Das soll allerdings
nur für 110 - in Worten: einhundertzehn - voll
mitbestimmungspflichtige und börsennotierte Unternehmen gelten. Das macht etwa 1500 Aufsichtsratsposten, 500 davon
müssten fortan an Frauen gehen oder leer bleiben. Etwa 200 Frauen
haben bisher einen Aufsichtsratsposten ergattert. Gesucht sind also nur noch 300 Damen,
die das Zeug haben, große börsennotierte Unternehmen zu kontrollieren.
Viel Aufregung also um
so gut wie nichts? Offenbar hat die Sache enorme Symbolkraft. Die Hysterie
könnte kaum größer sein, wenn der Staat eine Quote festschriebe, dass in einer
Fußballmannschaft mindestens 20 Prozent Schwule mitspielen müssten.
Das mag heute schon Realität sein, nur merkt das wenigstens niemand. Aber
Frauen in Aufsichtsräten? Wo kämen wir denn da hin?
Er ist ein Mann. Männer können das
Dabei hat sich bislang
niemand für Aufsichtsräte interessiert. Wer weiß schon, was für eine Truppe die
Big Player der Wirtschaft beaufsichtigt? Klar ist nur, dass selbstberufene
Experten medial solche Sätze zu Protokoll geben: "Wer in einem Dax-Unternehmen für
die Kapitalseite in den Aufsichtsrat will, muss zumindest schon mal Vorstand in
einem Konzern oder Vorstandschef in einer Mdax-Gesellschaft
gewesen sein."
Genau. In deutschen
Aufsichtsräten sitzen nämlich ausschließlich gestandene Manager! So richtige
hemdsärmelige Kerle, Machertypen, hartgesottene mit allen Wassern gewaschene
Jungs. Die ihren Vorstandsboys streng auf die Finger gucken, damit die unsere
milliardenschweren Industrieschiffe sicher durch die globalen
Weltmeere steuern.
So einer wie der
ehemalige FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der ein Aufsichtsratsmandat bei
der Deutschen Bahn innehat. Was ihn dazu befähigt, hat bislang niemand gefragt.
Er ist ein Mann. Männer können das.
Deswegen kann auch ein
Friedrich Merz Aufsichtsrat. Der war nach seinem Jurastudium 23 Jahre
lang erst im Europäischen Parlament, dann im Bundestag. Da hat er
Praxiserfahrung in der Wirtschaft gesammelt ohne Ende. Der hat schon deutlich
Schwierigeres gelenkt als nur das eigene Auto, zum Beispiel den Schlitten
seiner Kinder und den Einkaufwagen im Supermarkt. Der ist zu Großem fähig,
deswegen sitzt er nicht nur im Aufsichtsrat der Deutschen Börse, sondern auch
in dem des AxaKonzerns, von Borussia Dortmund und von HSBC Trinkaus &
Burkhardt. Bei der Wepa-Industrieholding ist er sogar Vorsitzender des
Aufsichtsrats. Deren Kerngeschäft - Toilettenpapier - beherrscht er,
ohne hinzugucken.
Praxiserfahrung ist unwichtig
Ein ganzer Haufen
ehemaliger Politiker hat sich im Aufsichtsrat der RWE versammelt: der
Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Ullrich Sierau, der Landrat des
Rhein-Sieg-Kreises, Frithjof Kühn, der ehemalige Landrat des Eifelkreises
Bitburg-Prüm, Roger Graef, und, man höre und staune, der ehemalige
österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Politik und Energie ist
bekanntlich dasselbe.
Und weiter geht's.
Wenn man mit dem Kompetenzkamm durchs haarige Geflecht der Dax-Aufsichtsräte
streicht, fällt so manche Schuppe von den Augen: Bei Heidelberg-Cement sitzt im
Aufsichtsrat ein Sozialpädagoge, der ein Projekt für straffällige Jugendliche
leitet. Nein, kein Betriebsrat-Fuzzi, Anteilseigner-Ticket! Tobias Merckle
heißt der Mann und agiert dort zusammen mit seinem Bruder Ludwig. Nach dem
Suizid des Vaters, Unternehmer Adolf Merckle, rettet der eine die Welt und der
andere das Erbe. Das sind Fähigkeiten, die im Aufsichtsrat des größten
deutschen Baustoffkonzerns von enormer Wichtigkeit sind. Das kann eine Frau gar
nicht mitbringen. Woher denn?
Bei der SAP sitzt
schon seit 1988 der Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
Wilhelm Haarmann; bei Adidas der Schwimmweltmeister Alexander Popow, der außer
ein paar Goldmedaillen noch Kenntnisse aus seinem Studium an der Sportakademie
mitbringt. Den BASF-Vorstand kontrolliert ein Chemiker vom Laboratorium für
Organische Chemie der ETH Zürich namens François Diederich, der unglaublich
viel von der Erstsynthese von Kekulen, also speziellen polycyclischen
aromatischen Kohlenwasserstoffen, versteht - im Aufsichtsrat von
unschätzbarem Wert!
Nicht gleich nervös werden
Henkel wird
kontrolliert von dem Astrophysiker Kaspar von Braun, dem Banker Ferdinand Groos
sowie den Vermögensverwaltern Boris Canessa und Theo Siegert. Bei deren Prüfung
der Vorstandsberichte über die Geschäftsentwicklung von Tapetenkleister,
Shampoo und Deoroller würde man gern Mäuschen spielen.
Noch ein Beispiel für
die unverzichtbare männliche Kompetenz in deutschen Aufsichtsräten? Na, einen
haben wir noch: BMW ist
ein Musterbeispiel deutscher Ingenieurskunst, kombiniert mit höchster
Managementexpertise. Und wer sitzt im Aufsichtsrat dieses Weltkonzerns, dessen
Produkte den Ruhm der Wirtschaftsnation Deutschland in die Welt fahren?
Reinhard F. Hüttl, ein
deutscher Forst- und Bodenwissenschaftler, Stefan Quandt, Sohn, und Susanne
Klatten, Tochter (ups, eine Frau, kann die das?), sowie - Achtung! - als
Aufsichtsratsvorsitzender Joachim Milberg, ein gestandener Wissenschaftler,
promoviert und habilitiert, der im zarten Alter von fünfzig Jahren von der
Technischen Uni zu BMW wechselte, und zwar - na klar, der Mann ist ein Mann! -
direkt in den Vorstand, wo er sechs Jahre später sogar zum
Vorstandsvorsitzenden aufstieg. Insgesamt neun Jahre Praxiserfahrung, das
reicht für einen seines Geschlechts. Klar, dass so einer in verschiedenen
Aufsichtsräten mitmischt: bei Festo, bei Bertelsmann, bei John Deere und SAP,
bei ZF Friedrichshafen und der Allianz, bei der Leipziger Messe, bei MAN und
bei Shell.
Und solche Kerle
sollen jetzt ausscheiden, nur damit mehr Frauen in Aufsichtsräten Platz nehmen
können? Vielleicht eine von den 438 Uni-Professorinnen für MINT-Fächer
(Mathematik, Informatik, Physik, Biologie, Chemie und Technik) oder
irgendeine von den Tausenden hochqualifizierten Frauen, die in den vergangenen
zwanzig Jahren an den internationalen Wirtschafts-Fakultäten und
Managementschulen beste Abschlüsse und seither vielfältigste Karriere gemacht
haben? Na ja, jetzt wollen wir mal nicht gleich nervös werden!
Zur
Autorin
Angela Hornberg, 55,
ist selbständige Personalberaterin. Vorher arbeitete sie zehn Jahre lang als
Investmentbankerin. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Frankfurt hat sie
Diversität in Aufsichtsräten untersucht.