Studium in
Rekordzeit, Praktika und drei Sprachen fließend: Dieser Lebenslauf gilt als Maß
aller Dinge für die Karriere. Der Chef der Strategieberatung Roland Berger
ermuntert Firmen, neue Suchraster anzulegen – auch bei der Suche nach
Spitzenfrauen für die Wirtschaft.
Auf der Führungsebene vieler Unternehmen sind Frau immer noch in der Minderheit.
Bild: dpa
MÜNCHEN Die Einführung einer Frauenquote für Spitzenposten
in der deutschen Wirtschaft ist nach Ansicht des Unternehmensberaters Burkhard
Schwenker überfällig. Der Chef des Beratungsunternehmens Roland Berger warnte
nach den jahrelangen Diskussionen vor weiteren Verzögerungen. „Ich bin der
Meinung, wir brauchen die Quote, weil der Systemwechsel sonst nicht gelingt“, sagte
er in München. „Und genau so wichtig ist es, dass die Politik endlich die
richtige Infrastruktur dafür schafft.“
In den vergangenen Jahren habe sich zwar viel bewegt und
der Anteil der Frauen auf wichtigen Posten sei deutlich höher als früher. Im
Vergleich zu anderen Ländern hinke Deutschland aber hinterher. „Es wäre ein
echtes Problem, wenn die Quote jetzt nicht käme.“
Damit haben Familienministerin Manuela Schwesig und ihr
Justiz-Kollege Heiko Maas (beide SPD) einen prominenten Fürsprecher aus der Wirtschaft
für ihre Pläne, im Jahr 2016 eine verbindliche Frauenquote einzuführen. Für die
Aufsichtsräte börsennotierter Konzerne soll dann eine Quote von 30 Prozent
vorgeschrieben werden. Schwenker geht davon aus, dass gesetzliche Vorgaben nur
für eine begrenzte Zeit notwendig sind, um den Wechsel anzustoßen. In zehn
Jahren werde es wohl normal sein, dass Vorstände und Aufsichtsräte mit Männern
und Frauen, Deutschen und Ausländern besetzt sind.
Für die Entwicklung der Firmen sei der Mix von größter
Bedeutung. „Wir brauchen die Vielfalt, weil sie zu besseren Entscheidungen
führt.“ Die Führungsverantwortung eines Unternehmens habe sich verändert - das
müsse sich im Management widerspiegeln. Schwenker hatte die Frauenquote früher
selbst kritisch beurteilt. „Inzwischen habe ich meine Meinung geändert, weil
ich sehe, dass es wohl nicht anders geht.“
Nicht zuletzt zwinge auch der demografische Wandel die
Firmen dazu, ihre Suche nach Fachkräften breiter anzulegen. An geeigneten
Frauen für Spitzenposten mangelt es aus Schwenkers Sicht nicht. Allerdings
müssten die Firmen ihr klassisches Suchraster ändern, um fündig zu werden:
Statt stromlinienförmigen Biografien mit einem Studium in Rekordzeit, mehreren
Praktika und Auslandserfahrung im Alter von 25 sollten auch „breitere
Lebensläufe“ eine Chance haben. „Es zeugt auch von Verantwortungsbewusstsein,
Kinder erzogen oder die Eltern gepflegt zu haben.“ Das sind eher neue Töne aus
der größten deutschen Strategieberatung. Schwenker betonte, dass auch dort ein
Umdenken eingesetzt habe. Auch Kandidaten mit „Ecken und Kanten“ hätten
durchaus Chancen.
Er empfahl jungen Leuten, bei der Auswahl ihres Berufs
nicht auf die möglichen Karrierechancen zu schielen - sondern nach den eigenen
Interessen und Begabungen zu gehen - und einen Fehler auch mal mutig zu
korrigieren. „Wenn man merkt, dass man den falschen Studiengang gewählt hat,
sollte man wechseln.“ Es bringe nichts, sich an das falsche Studium zu
klammern, nur um einen Bruch im Lebenslauf zu vermeiden.
Schwenker stand mit Unterbrechungen insgesamt acht Jahre
an der Spitze von Roland Berger und wechselt in Kürze voraussichtlich in den
Aufsichtsrat. Sein Nachfolger soll am Wochenende bei einer Versammlung der
Partner gewählt werden. Als aussichtsreicher Kandidat wird der Franzose
Charles-Edouard Bouee gehandelt, der seit dem vergangenen Jahr Geschäftsführer
(Chief Operating Officer) ist und das Asien-Geschäft leitet.
Quelle: nwzonline von Daniela Wiegmann