(Bloomberg) --
Ulrich Lehner weiß, wie Kritik besonders vernichtend daherkommt. Als der
Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp AG und Deutsche Telekom AG in
dieser Woche in Düsseldorf im Gespräch mit Journalisten auf das Thema Frauen im
Aufsichtsrat zu sprechen kam, holte er weit aus und begann mit Zuspruch und
Schwärmerei für die Frau an sich und endete mit der Schlussfolgerung von
fachlicher Unzulänglichkeit in der Sache. Kurz vor der Lesung des Gesetzes zur
Einführung einer festen Frauenquote in Aufsichtsräten provozierte der
68-Jährige damit eine Auseinandersetzung mit Bundesfamilienministerin Manuela
Schwesig (SPD).
Ab 2016 sollen alle Aufsichtsratsposten zu 30 Prozent mit Frauen besetzt werden. |
"Ich
bin Freund der Frauen. Ich liebe Frauen im Aufsichtsrat, je mehr, desto besser,
je bessere, desto besser", erklärte Lehner, der neben seinen beiden
Funktionen als Aufsichtsratschef bei ThyssenKrupp und Deutsche Telekom auch bei
EON SE und Porsche SE im Kontrollgremium sitzt.
Doch "gute Frauen sind ein knappes Gut". Deshalb sei er gegen eine
feste Regelung.
Die Familienministerin
konterte: "Ich bin sicher, dass unter den über 40 Millionen deutschen
Frauen 170 dabei sind, die diesen Job sehr gut machen werden", sagte sie
gegenüber Bloomberg News.
An diesem Freitag berät
der Bundestag in erster Lesung die Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die
deutsche Konzerne verpflichtet, Führungspositionen nach festen Quote mit Frauen
zu besetzen. Voll mitbestimmungspflichtige und börsennotierte Unternehmen
sollen ab 2016 freiwerdende Aufsichtsratsplätze mit Frauen besetzen, um eine
Frauenquote von 30 Prozent zu erreichen. "Bei den rund 100 Top-Unternehmen
fehlen insgesamt nur ca. 170 Frauen, um auf einen Anteil an 30 Prozent zu
kommen", erklärte Schwesig.
Die Qualifikation von
Frauen beginne in der Personalführung der Unternehmen, erklärte Anke Hassel,
Professorin für Public Policy der Hertie School of Governance in Berlin.
Solange diese nicht bereit seien, ihr Personal zu diversifizieren, sei es für
Frauen schwierig, jene Qualifikationen zu erlangen, die einen Einstieg in den
Aufsichtsrat ermöglichen. Äußerungen wie die von ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef
Lehner spiegelten wider, wie gering die Bereitschaft in deutschen Unternehmen
sei, Frauen den Weg in die Chefsessel zu ebenen.
Nach einem Bericht des
Wirtschaftsministeriums liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der
Top-160 Unternehmen in Deutschland bei 18,9 Prozent. Fünf von 160
Aufsichtsratsvorsitzenden sind weiblich. In den Vorständen sind 5,8 Prozent der
Posten mit einer Frau besetzt. Während die Deutsche Telekom die geplante
Frauenquote im Aufsichtsrat bereits erfüllt, ist das Kontrollgremium von
ThyssenKrupp lediglich mit drei Frauen von insgesamt 20 Sitzen besetzt.
"Ich bin Gegner der
Frauenquote im Kodex", sagte Lehner. "Die Frage ist: Wo kommen Frauen
her, die geeignet sind, Aufsichtsratspositionen wahrzunehmen. Und die kommen
genau daher, wo geeignete Männer herkommen: aus Tätigkeiten, die einen
aufsichtsratsfähig machen." Geborene Aufsichtsratsmitglieder seien ehemalige
erfolgreiche Vorstandsmitglieder, am besten noch Vorstandsvorsitzende, weil deren
Erfahrung am umfassendsten sei.
Um einen
Aufsichtsratsposten zu besetzen, sei es nicht unbedingt notwendig, vorher
Vorstandsmitglied gewesen zu sein, erklärte die Präsidentin des Deutschen
Juristinnenbundes Ramona Pisal. Es gebe viele Positionen in Aufsichtsräten, die
ein besonderes Fachwissen erfordern wie etwa in der Rechnungslegung. Auch
qualifizierte Wirtschaftsprüferinnen oder Unternehmensberaterinnen seien dafür
geeignet.
Auf der
Hauptsversammlung von ThyssenKrupp wird heute eine vierte Frau in den
Aufsichtsrat des Stahlkonzerns berufen. Sollte ihr neuer Chef Lehner ihren
Einstieg mit Lob und Zuspruch kommentieren, steht die Schlussfolgerung noch
aus.
Quelle: http://www.welt.de/newsticker/bloomberg
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