Dienstag, 18. März 2014

Genderkongress: Pro Quote und pro „gemischte Forschung

Berlin – „In der Medizin von heute würde sich manches ändern, wenn mehr Frauen in Führungspositionen wären.“ 

Diese Auffassung hat Gabriele Kaczmarczyck in der vergangenen Woche beim „BundesKongress GenderGesundheit“ in Berlin vertreten, bei dem Fachleute zwei Tage lang das Thema Gendergesundheit unter verschiedensten Blickwinkeln diskutierten. Ein Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf der Kooperation zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen.
Kaczmarczyck verwies auf die Aktion „Pro Quote Medizin“, die sie als Ärztin und lang­jährige Kämpferin für frauenspezifische Gesundheitsforschung mit initiiert hat. Die Unterstützerinnen dieser Aktion fordern, dass mindestens 40 Prozent der Führungs­positionen in der Medizin bis zum Jahr 2018 mit Frauen besetzt werden, und zwar auf allen Hierarchiestufen.

Beim Genderkongress wies Kaczmarczyck darauf hin, dass der Begriff der „Feminisierung der Medizin“ ihrer Meinung nach Falsches suggeriere. „Die Feminisierung ist noch gar nicht eingetreten“, urteilte sie mit dem Hinweis darauf, dass es nach wie vor kaum Frauen in Führungspositionen der Medizin gebe. Dies gelte sowohl für Lehrstühle wie für Spitzenpositionen in wissenschaftlichen Forschungsgesellschaften.
Auch ein hoher Anteil an Medizinstudentinnen sei nicht erst seit kurzem zu verzeichnen, betonte sie: Zwar seien derzeit rund 63 Prozent der Medizinstudierenden weiblich, aber schon vor knapp 15 Jahren lag ihr Anteil bei 54 Prozent. Dass viele der damaligen angehenden Ärztinnen ihren Berufswunsch offenbar nicht umgesetzt haben, bezeichnete Kaczmarczyck auch angesichts der hohen Kosten jedes Medizinstudiums als „Verschwen­dung“.
Dass eine schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Karrierehemmnis sei, hält sie für ein „vorgeschobenes Argument“. Zu DDR-Zeiten seien trotz der guten Kinder­betreuungsangebote auch nur rund fünf Prozent der Ärztinnen in Führungs­positionen gelangt. Als anhaltende Ursache nannte Kaczmarczyck mangelnde Förderung durch männliche Vorgesetzte.

Genderforschung: Mehr Studien zu Frauen- und Männeraspekten

Christian Kraef von der  Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland verwies in der Podiumsdiskussion zu Lebensentwürfen, Arbeitskonzepten und Finanzierungsmodellen darauf, dass die Beschäftigung mit den Anliegen der jüngeren Ärztinnen und Ärzte enorm zugenommen habe: „Wir bekommen Gehör.“

Er führte dies aber vor allem auf den Ärztemangel zurück. Forderungen nach Verän­derung kämen „zum großen Teil auch von Männern“, betonte Kraef. Während Medizin­studentinnen und junge Ärztinnen seiner Wahrnehmung nach eher Probleme beim Wunsch auf eine Karriere haben, ringen Medizinstudenten und junge Ärzte damit, dass ihnen nicht genug Freiräume zugestanden werden, weder für die Familie noch für ihre Hobbies und außerberuflichen Interessen.

Annelie Keil, Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin, forderte für die Zukunft eine „gemischte Genderforschung“, mit vielfältigen Studien zu Frauen- und Männeraspekten des Themas. Sie wandte sich gegen geschlechtsspezifische Klischees und Zuweisungen, die der Wirklichkeit nicht gerecht würden. So erlebe sie, dass viele der angeblich so mächtigen Männer nach dem Ausscheiden aus dem Beruf im häuslichen Umfeld schnell entmachtet und „zum Familientrottel“ würden, sagte Keil.

Außerdem herrscht nach ihren Worten der Eindruck vor, dass im Alter vor allem Frauen pflegen, auch wenn das nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Die Wissenschaftlerin erinnerte daran, dass viele Aidskranke zu den Zeiten, als die Krankheit noch wenig beherrschbar war, von Lebenspartnern und Freunden mit gepflegt wurden. Der damalige Mix aus Laien- und professioneller Pflege sei aber damals nicht klar genug als ein Zukunftsmodell gesehen worden, sagte sie.

© Rie/aerzteblatt.de

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