Mittwoch, 26. März 2014

Gewerkschaften kämpfen mit der Frauenquote

Nach den Regierungsplänen müssen 30 Prozent der Aufsichtsratsposten an Frauen gehen. Bisher wettern vor allem Kapitalvertreter dagegen – doch die Quote trifft nicht nur sie.

In manchen Aufsichtsräten haben die Arbeitnehmer größeren Nachholbedarf als die Arbeitgeber







Wenn Sozialdemokraten über die geplante gesetzliche Frauenquote für Spitzenpositionen in der Wirtschaft sprechen, tun sie dies traditionell in einem klaren, schneidigen Ton. Da sich die zugrundeliegende Kritik an mangelnder Frauenförderung annahmegemäß gegen Unternehmen richtet, sieht sich die SPD damit in keinem ernsten Loyalitätskonflikt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich indes: Die Wirklichkeit ist komplizierter – je nach Branche bereitet die geplante Quote auch Gewerkschaftern und Belegschaftsvertretern starke Kopfschmerzen. Auch sie sind in vielen Aufsichtsräten noch ein großes Stück von dem geforderten 30-Prozent-Frauenanteil entfernt.

„Eine feste Quote ist immer dann problematisch, wenn der Frauenanteil in der jeweiligen Belegschaft deutlich niedriger ist“, bekennt der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, auf Anfrage. „Der Anteil der Frauen an den Beschäftigten in unserer Industrie liegt bei 20 Prozent“, stellt im gleichen Zug der IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel fest.

Die Arbeitnehmerseite kommt auf einen höheren Anteil

Ihre gemeinsame Botschaft, die sie auch schon in der Regierung plaziert haben: Da die Arbeitnehmervertreter für die Aufsichtsräte in demokratischer Wahl bestimmt werden, lassen sich Ergebnisse mit einem Frauenanteil von 30 Prozent jedenfalls nicht so leicht garantieren. Oder, noch einmal in Vassiliadis’ mahnenden Worten: „Alle Bewerber um ein Aufsichtsratsmandat, Frauen wie Männer, müssen vom Vertrauen der Belegschaft in das Amt getragen werden – und das heißt zwingend, mit Mehrheit gewählt sein.“

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Bundesjustizminister Heiko Maas (beide SPD) wollen an diesem Dienstag erstmals sichtbar in Sachen Quote aktiv werden: Auf einer Pressekonferenz stellen sie „Leitlinien für das Gesetzgebungsverfahren“ vor. Da die Eckdaten – 30 Prozent für alle Aufsichtsräte, die von 2016 an neu besetzt werden – im Koalitionsvertrag verankert sind, ist daran vor allem auffällig, dass sie vorerst nicht konkreter werden. Immerhin hat etwa Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihre Gesetze zur Rente und zum Mindestlohn auch ohne vorherige „Leitlinien“ auf den Weg gebracht. In Regierungskreisen kursiert die deutliche Vermutung, dass der Zwischenschritt auf dem Weg zur Quote mit den genannten Kopfschmerzen im Gewerkschaftslager zusammenhängt.

Tatsächlich kommt die Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsräten zwar auf einen höheren Frauenanteil als die Anteilseignerseite, mit durchschnittlich 23,5 Prozent in den 160 wichtigsten deutschen Aktiengesellschaften liegt sie derzeit um etwa 10 Prozentpunkte vorn und damit schon deutlich dichter an der 30-Prozent-Marke. Das zeigen die regelmäßigen Auswertungen der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar).

Harte Folgen für den Fall der Zuwiderhandlung

Das Problem, das in diesen Tagen auch Spitzengewerkschafter umtreibt, ist allerdings: Auch hinter guten Durchschnittswerten können viele schwierige Einzelfälle stecken. Und gerade in der beschäftigungsstarken Industrie gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen und Branchen, die alles andere als Frauendomänen sind. Die gesetzliche Quotenvorgabe wird aber, jedenfalls nach den Eckdaten des Koalitionsvertrags, am Ende keine Ausnahmen machen. In der Praxis wird dies bedeuten, dass so manche erfahrene und in den Belegschaften hoch angesehene Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten bald ihre Posten räumen müssen, um der Quote zum Durchbruch zu verhelfen.

Großen Aufholbedarf hat die Arbeitnehmerseite bisher etwa beim Energiekonzern Eon und beim Düngemittelhersteller K+S. In beiden Unternehmen gab es zuletzt jeweils genau zwei Frauen im Aufsichtsrat; und in beiden Fällen sind dies Vertreterinnen der Anteilseignerseite – die einer ausschließlich von Männern dominierten Arbeitnehmerseite gegenübersitzt. Auch beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG ist die Arbeitnehmerseite bisher in Rückstand. Dort sind bisher vier von 20 Mandaten in Frauenhand; und drei der Frauen sitzen auf der Anteilseignerseite. Für Volkswagen und die Salzgitter AG weist die Statistik jeweils zwei Anteilseignervertreterinnen und eine Arbeitnehmervertreterin aus. Bei einer Gesamtgröße des Aufsichtsrats von 20 Mandaten müssten nach der gesetzlichen Quote künftig auf jeder Seite mindestens drei Frauen vertreten sein.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD für den Fall der Zuwiderhandlung harte Folgen angedroht. Werden zu wenige Frauen gewählt, sollen notfalls deren Sitze unbesetzt bleiben. Falls auf der Anteilseignerseite Frauen fehlen, könnte dies – je nach Ausgestaltung – theoretisch dazu führen, dass die Aufsichtsratsmehrheit an die Arbeitnehmerseite fällt.


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