Nach
den Regierungsplänen müssen 30 Prozent der Aufsichtsratsposten an Frauen gehen.
Bisher wettern vor allem Kapitalvertreter dagegen – doch die Quote trifft nicht
nur sie.
In manchen Aufsichtsräten haben die Arbeitnehmer größeren Nachholbedarf als die Arbeitgeber
Wenn Sozialdemokraten
über die geplante gesetzliche Frauenquote für Spitzenpositionen in der
Wirtschaft sprechen, tun sie dies traditionell in einem klaren, schneidigen
Ton. Da sich die zugrundeliegende Kritik an mangelnder Frauenförderung
annahmegemäß gegen Unternehmen richtet, sieht sich die SPD damit in keinem
ernsten Loyalitätskonflikt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich indes: Die
Wirklichkeit ist komplizierter – je nach Branche bereitet die geplante Quote
auch Gewerkschaftern und Belegschaftsvertretern starke Kopfschmerzen. Auch sie
sind in vielen Aufsichtsräten noch ein großes Stück von dem geforderten
30-Prozent-Frauenanteil entfernt.
„Eine feste Quote ist immer dann
problematisch, wenn der Frauenanteil in der jeweiligen Belegschaft deutlich
niedriger ist“, bekennt der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau,
Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, auf Anfrage. „Der Anteil der
Frauen an den Beschäftigten in unserer Industrie liegt bei 20 Prozent“, stellt
im gleichen Zug der IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel fest.
Die
Arbeitnehmerseite kommt auf einen höheren Anteil
Ihre gemeinsame Botschaft, die sie auch schon
in der Regierung plaziert haben: Da die Arbeitnehmervertreter für die
Aufsichtsräte in demokratischer Wahl bestimmt werden, lassen sich Ergebnisse
mit einem Frauenanteil von 30 Prozent jedenfalls nicht so leicht garantieren.
Oder, noch einmal in Vassiliadis’ mahnenden Worten: „Alle Bewerber um ein
Aufsichtsratsmandat, Frauen wie Männer, müssen vom Vertrauen der Belegschaft in
das Amt getragen werden – und das heißt zwingend, mit Mehrheit gewählt sein.“
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und
Bundesjustizminister Heiko Maas (beide SPD) wollen an diesem Dienstag erstmals
sichtbar in Sachen Quote aktiv werden: Auf einer Pressekonferenz stellen sie
„Leitlinien für das Gesetzgebungsverfahren“ vor. Da die Eckdaten – 30 Prozent
für alle Aufsichtsräte, die von 2016 an neu besetzt werden – im
Koalitionsvertrag verankert sind, ist daran vor allem auffällig, dass sie
vorerst nicht konkreter werden. Immerhin hat etwa Arbeitsministerin Andrea
Nahles (SPD) ihre Gesetze zur Rente und zum Mindestlohn auch ohne vorherige
„Leitlinien“ auf den Weg gebracht. In Regierungskreisen kursiert die deutliche
Vermutung, dass der Zwischenschritt auf dem Weg zur Quote mit den genannten
Kopfschmerzen im Gewerkschaftslager zusammenhängt.
Tatsächlich kommt die Arbeitnehmerseite in
den Aufsichtsräten zwar auf einen höheren Frauenanteil als die
Anteilseignerseite, mit durchschnittlich 23,5 Prozent in den 160 wichtigsten
deutschen Aktiengesellschaften liegt sie derzeit um etwa 10 Prozentpunkte vorn
und damit schon deutlich dichter an der 30-Prozent-Marke. Das zeigen die
regelmäßigen Auswertungen der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar).
Harte
Folgen für den Fall der Zuwiderhandlung
Das Problem, das in diesen Tagen auch
Spitzengewerkschafter umtreibt, ist allerdings: Auch hinter guten Durchschnittswerten
können viele schwierige Einzelfälle stecken. Und gerade in der
beschäftigungsstarken Industrie gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen und
Branchen, die alles andere als Frauendomänen sind. Die gesetzliche
Quotenvorgabe wird aber, jedenfalls nach den Eckdaten des Koalitionsvertrags,
am Ende keine Ausnahmen machen. In der Praxis wird dies bedeuten, dass so
manche erfahrene und in den Belegschaften hoch angesehene Arbeitnehmervertreter
in den Aufsichtsräten bald ihre Posten räumen müssen, um der Quote zum
Durchbruch zu verhelfen.
Großen Aufholbedarf hat die Arbeitnehmerseite
bisher etwa beim Energiekonzern Eon und beim Düngemittelhersteller K+S. In
beiden Unternehmen gab es zuletzt jeweils genau zwei Frauen im Aufsichtsrat;
und in beiden Fällen sind dies Vertreterinnen der Anteilseignerseite – die
einer ausschließlich von Männern dominierten Arbeitnehmerseite gegenübersitzt.
Auch beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG ist die Arbeitnehmerseite
bisher in Rückstand. Dort sind bisher vier von 20 Mandaten in Frauenhand; und
drei der Frauen sitzen auf der Anteilseignerseite. Für Volkswagen und die
Salzgitter AG weist die Statistik jeweils zwei Anteilseignervertreterinnen und
eine Arbeitnehmervertreterin aus. Bei einer Gesamtgröße des Aufsichtsrats von
20 Mandaten müssten nach der gesetzlichen Quote künftig auf jeder Seite
mindestens drei Frauen vertreten sein.
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD für
den Fall der Zuwiderhandlung harte Folgen angedroht. Werden zu wenige Frauen
gewählt, sollen notfalls deren Sitze unbesetzt bleiben. Falls auf der
Anteilseignerseite Frauen fehlen, könnte dies – je nach Ausgestaltung –
theoretisch dazu führen, dass die Aufsichtsratsmehrheit an die
Arbeitnehmerseite fällt.
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